Reisebericht der einwöchigen Delhireise und Neuigkeiten aus
Nesakkaram
Hallo ihr Lieben,
wie versprochen melde ich
mich dieses Mal recht zügig wieder mit einem kleinen Reisebericht über meine
einwöchige Delhireise und ganz top-aktuellen Neuigkeiten aus Nesakkaram.
Viel Spaß beim Lesen – Enjoy
it!
Reisebericht
der einwöchigen Delhireise (vom 08.01.-14.01.)
Kurz nach meinem
Familienurlaub, am 08.01., ging es auf zu einem nächsten Abenteuer. Die Tage
zwischen der Abreise meiner Familie und meiner Abreise nach Delhi vergingen wie
im Schneckentempo und ich hatte wirklich wahnsinniges Heimweh. Daher passte es
ganz gut, dass ich in den nächsten Tagen viel Neues erleben würde und somit
viel Ablenkung bevorstand.
Nachdem Lea und Theresa am
Morgen von Kochin angereist waren, machten wir uns gemeinsam abends weiter auf
nach Delhi. Zuvor hatten wir uns reichlich mit Verpflegung und warmer Kleidung
eingedeckt, denn uns stand eine 34- stündige Zugfahrt (für 7€!) in einem Sleeperwagen dritter Klasse bevor. Ein
Sleeperwagen besteht aus mehreren kleinen offenen Abteilen, wobei in einem
Abteil acht Betten Platz finden. Diese sind an Wänden übereinander angebracht.
An einer Wand befinden sich drei Betten. Das oberste Bett ist fixiert, das
zweite Bett kann man herunterklappen und das erste Bett ist wiederum fixiert.
So kann man tagsüber das zweite Bett herunterklappen, dieses dient dann als
Rückenlehne, während man auf dem ersten Bett sitzt.
Außerdem gibt es einfache
indische Toiletten, Ladestationen für Handys, Ventilatoren und reichlich frisch
gekochte Verpflegung. Ab morgens um 6 Uhr rennen dabei verschiedenste Verkäufer
durch die Wagengänge und brüllen laut „Coffee, Coffee, Cooooofffeeee!“.
Die erste Nacht im Zug
verging wie im Fluge, den darauffolgenden Tag verbrachten wir mit Quatschen, Lesen
und Karten spielen. Abends haben wir uns dann ein indisches Essen im Zug
gegönnt, lecker! Dann kam die Dunkelheit und auf einmal spürten wir, dass wir
tatsächlich Richtung Norden fuhren. Denn mit der Dunkelheit kam die Kälte. So
wickelten wir uns in unsere Winterjacken, Mützen und Socken, aber auch mit
dieser Maßnahme schliefen wir mehr in einer Winterstarre, denn die Wagons sind
natürlich nicht isoliert und es herrschen innen und außen die gleichen
Temperaturen (ca. 0°C). Am nächsten Morgen waren wir also froh, dass der
Coffee-Mensch uns aus dem Schlaf riss. Um 7 Uhr in der Früh waren wir da.
Ab ins Hotel unter die
ersehnte heiße Dusche und dann durften wir auch schon die deutsche Reisegruppe
begrüßen. Father Francis, einer unserer Organisatoren aus Deutschland bietet
jedes Jahr eine dreiwöchige Indienreise an und wir durften die Reisegruppe für
5 Tage begleiten.
Insgesamt waren wir eine Gruppe
von ca. 30 Personen. Das Programm war wie immer ganz schön straff. Die Reise
stand unter dem Motto „interreligiöser Dialog“ und vor allem wir vier
Freiwilligen dachten erst, es könnte etwas langweilig werden. Ganz im Gegenteil
bekamen wir aber unglaublich viele Tempel und unterschiedliche Göttehäuser von
verschiedenen Religionen zu Gesicht. Unter anderem besuchten wir einen Sikh-Tempel,
einen Bahais-Tempel, einen Hindu-Tempel, ein buddhistisches Denkmal, einen
Jain-Tempel und eine Moschee. Zum Teil hatte ich von den Religionen schon etwas
gehört, aber richtig vorstellen konnte ich mir unter den meisten Religionen
recht wenig.
Wusstet ihr zum Beispiel,
dass die Männer der Jain-Religion keine Frau berühren dürfen? Oder dass sie,
bevor sie einen Weg entlang laufen, ihn erst fegen müssen, um kein Lebewesen zu
töten?
Wusstet ihr außerdem, dass
Sikh-Männer niemals ihre Haare schneiden, immer einen Turban tragen und immer
ein Schwert bei sich tragen, um die Armen vor Überfällen zu schützen? All das
und noch vieles mehr durfte ich innerhalb von fünf Tagen in Delhi dazulernen.
Und am meisten waren wir über die Tatsache verwundert, dass alle Religionen
problemlos und friedvoll nebeneinander existieren. Toll!
Delhi allgemein gleicht
eher einer europäischen Stadt, als einer indischen. Delhi ist sehr sauber,
aufgeräumt und man trifft in der Stadt auf wenig Bettler. Vor ein paar Jahren
sah letzteres aber anscheinend noch anders aus. Natürlich kam gleich die Frage
auf, wo denn die ganzen Bettler hin seien? Womöglich brauchte die Stadt Delhi
die Slumflächen für neue Hochhäuser oder sie haben ihr einfach nicht ins
Gesamtkonzept gepasst. Den Bewohnern wird zunächst eine Frist gesetzt, ehe
Hütten angezündet werden. Nur eine gewisse Personenanzahl an Bettlern hat das
Privileg in der Stadt bleiben zu dürfen. Über diese Informationen bin ich heute
immer noch sprachlos und entsetzt. Hier, finde ich, wird noch einmal deutlich,
wie wenig doch ein einzelnes Menschenleben in Indien Wert hat.
An einem Abend fand dann
noch eine Podiumsdiskussion statt, bei der jeweils ein Vertreter, der oben
genannten Religionen anwesend war. Gemeinsam kamen alle miteinander ins
Gespräch und unterhielten sich über politische und weltliche Themen. Das war
wirklich sehr interessant, doch leider blieb keine Zeit mehr über den Vergewaltigungsfall
in Delhi zu sprechen. Es wäre sehr interessant gewesen, was die einzelnen
Religionen für eine Strafe für die Vergewaltiger fordern würden und warum.
Auch wir in Indien haben
natürlich davon mitbekommen. Allerdings erst sehr spät und von Erzählungen aus
Deutschland, was aber auch daran liegen könnte, dass wir kaum Fernsehen schauen
und auch nicht die Zeitung lesen. In Chennai habe ich einmal eine Demonstration
gesehen, an der sogar größtenteils männliche Studenten anwesend waren.
Highlight der Delhireise
war natürlich die Besichtigung des Taj Mahal. Das Taj Mahal gehört zu den 7
Sehenswürdigkeiten, die man im Leben gesehen haben muss. Das Gebäude selbst
sieht von der Ferne total unecht und eher wie ein Gemälde aus. Das Taj Mahal
wurde vor 500 Jahren von einem muslimischen Kaiser in Auftrag gegeben. Dieser
wollte seiner großen Liebe, die leider verstarb, einen unvergesslichen
Liebesbeweis erbringen. Er baute ihr als Grabmal das Taj Mahal. Eine Legende
besagt, dass nach Vollendung des Taj Mahals allen beteiligten Handwerkern (ca. 20.000)
eine Hand abgehackt worden sein soll und die Architekten hingerichtet wurden,
um andere Herrscher am Nachahmen zu hindern.
Die fünf Tage in Delhi
vergingen wie im Flug und schon standen wir am Flughafen auf dem Weg zurück
nach Chennai.
Die Reisegruppe begleitete
uns mit nach Chennai, nur von Lea und Theresa mussten wir uns wieder
verabschieden. Am 15. Januar stellten wir dann der deutschen Reisegruppe unser
Projekt „Nesakkaram“ mit Hilfe einer PowerPoint-Präsentation vor. Anschließend
fuhren wir nach Nesavannam, wo es etwas Programm von den Kindern, sowie
typisches indisches Mittagessen gab. Danach hieß es Abschied nehmen, denn noch
am selben Tag reiste die Gruppe weiter nach Pondicherry.
Insgesamt hatten wir vier
Freiwilligen eine wahnsinnig nette Zeit
mit der Reisegruppe. Sie zeigten sich sehr an unseren Projekten und an unserer
Arbeit interessiert. Außerdem konnte ich für die kommende Zeit noch einmal
einen sehr großen Motivationsschub für mich mitnehmen. Wir bekamen sehr viel
Lob und Zuspruch für unsere Arbeit und unser Auftreten. Dieses kommt in den
Projekten oft zu kurz, da die Annerkennung für geleistete Arbeit oft ausbleibt.
Daher tat es mal wieder sehr gut zu hören, dass man eine gute Arbeit leistet, was
einem selbst im harten Alltag kaum mehr auffällt. Hierfür möchte ich mich noch
einmal bei jedem Teilnehmer der Indienreise herzlich bedanken!
Neuigkeiten
aus Nesakkaram
Nach all den Tagen
wunderschönen Urlaubes, war ich aber auch wieder sehr froh daheim zu sein. Denn
nicht nur meine Jungs, sondern auch mein Zimmer, ein Rückzugsort, den ich hier
sehr schätzen gelernt habe, haben mir gefehlt.
Daher war es sehr schön zu
sehen, wie sehr es auch die Jungs gefreut hat, mich wieder zu sehen. Alle Jungs
sind mir in der vergangenen Zeit immer
mehr ans Herz gewachsen und so scheint es nicht nur mir zu gehen. Auch die
Jungs werden immer offener und selbst die großen Jungs, holen sich ab und zu
mal eine Umarmung ab.
Vor allem aber die etwas
Jüngeren brauchen große Zuneigung. So bekommen sie seit neuem immer vor dem Schlafengehen,
einen Gute-Nacht-Kuss von mir auf die Stirn gedrückt.
Erst vor ein paar Tagen
hatte ich vergessen Jayasuriya einen Gute-Nach-Kuss zu geben und so kam er
angerannt und meinte nur: „SISTER, SISTER…KISS, KISS!“. Einen Moment, der mich
immer wieder schmunzeln lässt, wenn ich daran denke. J
Insgesamt fühle oder sehe
ich mich auch nicht als eine Art Mutterfigur, sondern viel mehr als eine Art
Schwester meiner Brüder.
Das kann aber manchmal auch
ganz schön zu Problemen führen, denn leider kann man nicht immer diese
Schwesternfigur verkörpern, immerhin will ich ja auch, dass die Jungs mich respektieren
und meinen Anweisungen folgen. So ist das manchmal eine ganz schöne Gratwanderung
zwischen Schwesternsein und Respektperson. Das ist nicht leicht, denn auf der
einen Seite blödelt man mit den Jungs rum und in nächster Sekunde muss man
schon wieder schreien, da sich zwei Jungs raufen und Quatsch machen.
Zum Beispiel habe ich den
Jungs erlaubt, einen Käfer in einem ihrer Schränke als Haustier zu halten. Vor
den Fathers musste das natürlich geheim bleiben. Welches Kind hat denn das in
seiner Kindheit nicht gemacht? Aber schon im Anschluss musste ich damit drohen den
Fathers den Käfer zu zeigen, wenn sie ihn nicht sofort auf der Stelle einpacken
und zum Frühstück gehen. Ab und zu befinde ich mich da in einem ganz schönen
Dilemma. Immerhin finde ich den engen Kontakt zu den Jungs sehr wichtig und
keinesfalls möchte ich den Schlagstock zücken müssen, um mir bei meinen Jungs den
nötigen Respekt zu erhalten.
Außerdem fällt es mir auch
oft schwer ein geplantes Programm mit den Jungs durchzusetzen. Zum einen fehlt
der Platz dafür und zum anderen fehlt auch zum Teil Interesse. An ihrem freien
Samstag, an dem wir als Freiwillige die
Chance haben ein Programm aufzustellen, ziehen es unsere Jungs vor Fernzusehen.
Mit der Zeit kann ich das jetzt auch immer besser verstehen. Durch den
Fernseher können die Jungs in eine Scheinwelt abtauchen, die ihnen Zeit zum Träumen
lässt. So können sie einfach nur die unterschiedlichen Eindrücke auf sich
einrieseln lassen und müssen niemandem etwas recht machen oder niemandem
folgen. Trotzdem finde ich das sehr schade und ab und zu leidet auch meine
Motivation darunter, etwas Neues für die Jungs vorzubereiten.
Ansonsten ist alles recht
gleich geblieben. Es sind meine Jungs eben. J
Auch mein Tagesablauf hat
sich kaum geändert.
Etwas Entscheidendes hat
sich aber geändert. Für zwei Monate wurden aus zwei Freiwilligen, vier! Die beiden
Neuankömmlinge heißen José und Miriam,
zwei Schwestern aus Holland. José ist 19 Jahre alt und Miriam
ist bereits 24 Jahre alt. Die beiden unterstützen Nesakkaram für zwei Monate.
Danach reisen sie weiter nach Australien und anschließend nach Indonesien, wo
sie noch einmal für zwei Monate ein anderes Projekt unterstützen wollen.
Angedacht ist für die beiden
in Nesakkaram vor allem die Arbeit in den jeweils zugeteilten Slumareas. Mit
unseren Jungs haben sie kaum Kontakt, was vielleicht auch daran liegt, dass die
beiden nicht bei uns im Heim übernachten, sondern ca. 10 Minuten zu Fuß von uns
entfernt wohnen. Dies ist vor allem aus Platzgründen notwendig. Wir bekommen
sie allerdings jeden Mittag zu Gesicht, da wir immer alle gemeinsam bei uns im
Heim zu Mittag essen. Miriam und José sind unglaublich nett und
offen. Gemeinsam haben wir schon Unternehmungen geplant, die wir noch zu viert
vor ihrer Abreise Mitte März antreten wollen. Endlich kommt etwas Freizeitleben
und Abwechslung in die Bude! J
Verständigen können wir
uns allerdings auch nur über Englisch. Mareike und ich können leider kaum ihr Holländisch
verstehen und die beiden Holländerinnen verstehen nur etwas Deutsch. Es ist
aber total lustig, denn es sind zum Teil echt die gleichen Wörter, nur die Aussprache
ist so verschieden.
Jetzt bin ich erst mal
wieder zwei Wochen durch mein Projekt eingespannt, ehe wir uns dann am 17.
Februar auf nach Trichy (liegt an der Grenze zu Kerala in Tamil Nadu) zu
unserem siebentägigen Zwischenseminar mit allen deutschen Freiwilligen, die ihr
Soziales Jahr in Indien über verschiedene katholische Organisationen absolvieren,
aufmachen. Ich bin schon sehr gespannt darauf zu hören, wie denn den anderen
Freiwilligen ihr Projekt gefällt, was ihre Erfahrungen bis jetzt mit Indien
sind und vielleicht lernt man dann noch den ein oder anderen etwas besser kennen,
mit dem man dann auch noch vielleicht im Rest des Jahres eine kleine
Unternehmung starten kann.
Ich werde mich danach
wieder melden, mit neuen Neuigkeiten rund um die Zeit vor und während des
Zwischenseminars.
Bis dahin wünsche ich euch
eine tolle Zeit! Ich denke sehr viel an euch und vermisse euch oft. Aber ihr
müsst wissen, dass die Halbzeit am 28. Januar war. J Es ist also gar nicht mehr so lange, bis ich
wieder bei euch bin!
Eure Natalie
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