Mittwoch, 6. Februar 2013


Reisebericht der einwöchigen Delhireise und Neuigkeiten aus Nesakkaram

Hallo ihr Lieben,
  
wie versprochen melde ich mich dieses Mal recht zügig wieder mit einem kleinen Reisebericht über meine einwöchige Delhireise und ganz top-aktuellen Neuigkeiten aus Nesakkaram.
Viel Spaß beim Lesen – Enjoy it!

Reisebericht der einwöchigen Delhireise (vom 08.01.-14.01.)

Kurz nach meinem Familienurlaub, am 08.01., ging es auf zu einem nächsten Abenteuer. Die Tage zwischen der Abreise meiner Familie und meiner Abreise nach Delhi vergingen wie im Schneckentempo und ich hatte wirklich wahnsinniges Heimweh. Daher passte es ganz gut, dass ich in den nächsten Tagen viel Neues erleben würde und somit viel Ablenkung bevorstand.
Nachdem Lea und Theresa am Morgen von Kochin angereist waren, machten wir uns gemeinsam abends weiter auf nach Delhi. Zuvor hatten wir uns reichlich mit Verpflegung und warmer Kleidung eingedeckt, denn uns stand eine 34- stündige Zugfahrt (für 7€!)  in einem Sleeperwagen dritter Klasse bevor. Ein Sleeperwagen besteht aus mehreren kleinen offenen Abteilen, wobei in einem Abteil acht Betten Platz finden. Diese sind an Wänden übereinander angebracht. An einer Wand befinden sich drei Betten. Das oberste Bett ist fixiert, das zweite Bett kann man herunterklappen und das erste Bett ist wiederum fixiert. So kann man tagsüber das zweite Bett herunterklappen, dieses dient dann als Rückenlehne, während man auf dem ersten Bett sitzt.
Außerdem gibt es einfache indische Toiletten, Ladestationen für Handys, Ventilatoren und reichlich frisch gekochte Verpflegung. Ab morgens um 6 Uhr rennen dabei verschiedenste Verkäufer durch die Wagengänge und brüllen laut „Coffee, Coffee, Cooooofffeeee!“.
Die erste Nacht im Zug verging wie im Fluge, den darauffolgenden Tag verbrachten wir mit Quatschen, Lesen und Karten spielen. Abends haben wir uns dann ein indisches Essen im Zug gegönnt, lecker! Dann kam die Dunkelheit und auf einmal spürten wir, dass wir tatsächlich Richtung Norden fuhren. Denn mit der Dunkelheit kam die Kälte. So wickelten wir uns in unsere Winterjacken, Mützen und Socken, aber auch mit dieser Maßnahme schliefen wir mehr in einer Winterstarre, denn die Wagons sind natürlich nicht isoliert und es herrschen innen und außen die gleichen Temperaturen (ca. 0°C). Am nächsten Morgen waren wir also froh, dass der Coffee-Mensch uns aus dem Schlaf riss. Um 7 Uhr in der Früh waren wir da.

Ab ins Hotel unter die ersehnte heiße Dusche und dann durften wir auch schon die deutsche Reisegruppe begrüßen. Father Francis, einer unserer Organisatoren aus Deutschland bietet jedes Jahr eine dreiwöchige Indienreise an und wir durften die Reisegruppe für 5 Tage begleiten.
Insgesamt waren wir eine Gruppe von ca. 30 Personen. Das Programm war wie immer ganz schön straff. Die Reise stand unter dem Motto „interreligiöser Dialog“ und vor allem wir vier Freiwilligen dachten erst, es könnte etwas langweilig werden. Ganz im Gegenteil bekamen wir aber unglaublich viele Tempel und unterschiedliche Göttehäuser von verschiedenen Religionen zu Gesicht. Unter anderem besuchten wir einen Sikh-Tempel, einen Bahais-Tempel, einen Hindu-Tempel, ein buddhistisches Denkmal, einen Jain-Tempel und eine Moschee. Zum Teil hatte ich von den Religionen schon etwas gehört, aber richtig vorstellen konnte ich mir unter den meisten Religionen recht wenig.
Wusstet ihr zum Beispiel, dass die Männer der Jain-Religion keine Frau berühren dürfen? Oder dass sie, bevor sie einen Weg entlang laufen, ihn erst fegen müssen, um kein Lebewesen zu töten?
Wusstet ihr außerdem, dass Sikh-Männer niemals ihre Haare schneiden, immer einen Turban tragen und immer ein Schwert bei sich tragen, um die Armen vor Überfällen zu schützen? All das und noch vieles mehr durfte ich innerhalb von fünf Tagen in Delhi dazulernen. Und am meisten waren wir über die Tatsache verwundert, dass alle Religionen problemlos und friedvoll nebeneinander existieren. Toll!
Delhi allgemein gleicht eher einer europäischen Stadt, als einer indischen. Delhi ist sehr sauber, aufgeräumt und man trifft in der Stadt auf wenig Bettler. Vor ein paar Jahren sah letzteres aber anscheinend noch anders aus. Natürlich kam gleich die Frage auf, wo denn die ganzen Bettler hin seien? Womöglich brauchte die Stadt Delhi die Slumflächen für neue Hochhäuser oder sie haben ihr einfach nicht ins Gesamtkonzept gepasst. Den Bewohnern wird zunächst eine Frist gesetzt, ehe Hütten angezündet werden. Nur eine gewisse Personenanzahl an Bettlern hat das Privileg in der Stadt bleiben zu dürfen. Über diese Informationen bin ich heute immer noch sprachlos und entsetzt. Hier, finde ich, wird noch einmal deutlich, wie wenig doch ein einzelnes Menschenleben in Indien Wert hat.  
An einem Abend fand dann noch eine Podiumsdiskussion statt, bei der jeweils ein Vertreter, der oben genannten Religionen anwesend war. Gemeinsam kamen alle miteinander ins Gespräch und unterhielten sich über politische und weltliche Themen. Das war wirklich sehr interessant, doch leider blieb keine Zeit mehr über den Vergewaltigungsfall in Delhi zu sprechen. Es wäre sehr interessant gewesen, was die einzelnen Religionen für eine Strafe für die Vergewaltiger fordern würden und warum.
Auch wir in Indien haben natürlich davon mitbekommen. Allerdings erst sehr spät und von Erzählungen aus Deutschland, was aber auch daran liegen könnte, dass wir kaum Fernsehen schauen und auch nicht die Zeitung lesen. In Chennai habe ich einmal eine Demonstration gesehen, an der sogar größtenteils männliche Studenten anwesend waren.
Highlight der Delhireise war natürlich die Besichtigung des Taj Mahal. Das Taj Mahal gehört zu den 7 Sehenswürdigkeiten, die man im Leben gesehen haben muss. Das Gebäude selbst sieht von der Ferne total unecht und eher wie ein Gemälde aus. Das Taj Mahal wurde vor 500 Jahren von einem muslimischen Kaiser in Auftrag gegeben. Dieser wollte seiner großen Liebe, die leider verstarb, einen unvergesslichen Liebesbeweis erbringen. Er baute ihr als Grabmal das Taj Mahal. Eine Legende besagt, dass nach Vollendung des Taj Mahals allen beteiligten Handwerkern (ca. 20.000) eine Hand abgehackt worden sein soll und die Architekten hingerichtet wurden, um andere Herrscher am Nachahmen zu hindern.
Die fünf Tage in Delhi vergingen wie im Flug und schon standen wir am Flughafen auf dem Weg zurück nach Chennai.
Die Reisegruppe begleitete uns mit nach Chennai, nur von Lea und Theresa mussten wir uns wieder verabschieden. Am 15. Januar stellten wir dann der deutschen Reisegruppe unser Projekt „Nesakkaram“ mit Hilfe einer PowerPoint-Präsentation vor. Anschließend fuhren wir nach Nesavannam, wo es etwas Programm von den Kindern, sowie typisches indisches Mittagessen gab. Danach hieß es Abschied nehmen, denn noch am selben Tag reiste die Gruppe weiter nach Pondicherry.
Insgesamt hatten wir vier Freiwilligen  eine wahnsinnig nette Zeit mit der Reisegruppe. Sie zeigten sich sehr an unseren Projekten und an unserer Arbeit interessiert. Außerdem konnte ich für die kommende Zeit noch einmal einen sehr großen Motivationsschub für mich mitnehmen. Wir bekamen sehr viel Lob und Zuspruch für unsere Arbeit und unser Auftreten. Dieses kommt in den Projekten oft zu kurz, da die Annerkennung für geleistete Arbeit oft ausbleibt. Daher tat es mal wieder sehr gut zu hören, dass man eine gute Arbeit leistet, was einem selbst im harten Alltag kaum mehr auffällt. Hierfür möchte ich mich noch einmal bei jedem Teilnehmer der Indienreise herzlich bedanken!

Neuigkeiten aus Nesakkaram

Nach all den Tagen wunderschönen Urlaubes, war ich aber auch wieder sehr froh daheim zu sein. Denn nicht nur meine Jungs, sondern auch mein Zimmer, ein Rückzugsort, den ich hier sehr schätzen gelernt habe, haben mir gefehlt.
Daher war es sehr schön zu sehen, wie sehr es auch die Jungs gefreut hat, mich wieder zu sehen. Alle Jungs sind mir in der vergangenen  Zeit immer mehr ans Herz gewachsen und so scheint es nicht nur mir zu gehen. Auch die Jungs werden immer offener und selbst die großen Jungs, holen sich ab und zu mal eine Umarmung ab.
Vor allem aber die etwas Jüngeren brauchen große Zuneigung. So bekommen sie seit neuem immer vor dem Schlafengehen, einen Gute-Nacht-Kuss von mir auf die Stirn gedrückt.
Erst vor ein paar Tagen hatte ich vergessen Jayasuriya einen Gute-Nach-Kuss zu geben und so kam er angerannt und meinte nur: „SISTER, SISTER…KISS, KISS!“. Einen Moment, der mich immer wieder schmunzeln lässt, wenn ich daran denke. J
Insgesamt fühle oder sehe ich mich auch nicht als eine Art Mutterfigur, sondern viel mehr als eine Art Schwester meiner Brüder.
Das kann aber manchmal auch ganz schön zu Problemen führen, denn leider kann man nicht immer diese Schwesternfigur verkörpern, immerhin will ich ja auch, dass die Jungs mich respektieren und meinen Anweisungen folgen. So ist das manchmal eine ganz schöne Gratwanderung zwischen Schwesternsein und Respektperson. Das ist nicht leicht, denn auf der einen Seite blödelt man mit den Jungs rum und in nächster Sekunde muss man schon wieder schreien, da sich zwei Jungs raufen und Quatsch machen.
Zum Beispiel habe ich den Jungs erlaubt, einen Käfer in einem ihrer Schränke als Haustier zu halten. Vor den Fathers musste das natürlich geheim bleiben. Welches Kind hat denn das in seiner Kindheit nicht gemacht? Aber schon im Anschluss musste ich damit drohen den Fathers den Käfer zu zeigen, wenn sie ihn nicht sofort auf der Stelle einpacken und zum Frühstück gehen. Ab und zu befinde ich mich da in einem ganz schönen Dilemma. Immerhin finde ich den engen Kontakt zu den Jungs sehr wichtig und keinesfalls möchte ich den Schlagstock zücken müssen, um mir bei meinen Jungs den nötigen Respekt zu erhalten.
Außerdem fällt es mir auch oft schwer ein geplantes Programm mit den Jungs durchzusetzen. Zum einen fehlt der Platz dafür und zum anderen fehlt auch zum Teil Interesse. An ihrem freien Samstag, an dem  wir als Freiwillige die Chance haben ein Programm aufzustellen, ziehen es unsere Jungs vor Fernzusehen. Mit der Zeit kann ich das jetzt auch immer besser verstehen. Durch den Fernseher können die Jungs in eine Scheinwelt abtauchen, die ihnen Zeit zum Träumen lässt. So können sie einfach nur die unterschiedlichen Eindrücke auf sich einrieseln lassen und müssen niemandem etwas recht machen oder niemandem folgen. Trotzdem finde ich das sehr schade und ab und zu leidet auch meine Motivation darunter, etwas Neues für die Jungs vorzubereiten.
Ansonsten ist alles recht gleich geblieben. Es sind meine Jungs eben. J
Auch mein Tagesablauf hat sich kaum geändert.

Etwas Entscheidendes hat sich aber geändert. Für zwei Monate wurden aus zwei Freiwilligen, vier! Die beiden Neuankömmlinge heißen José und Miriam, zwei Schwestern aus Holland. José ist 19 Jahre alt und Miriam ist bereits 24 Jahre alt. Die beiden unterstützen Nesakkaram für zwei Monate. Danach reisen sie weiter nach Australien und anschließend nach Indonesien, wo sie noch einmal für zwei Monate ein anderes Projekt unterstützen wollen.
Angedacht ist für die beiden in Nesakkaram vor allem die Arbeit in den jeweils zugeteilten Slumareas. Mit unseren Jungs haben sie kaum Kontakt, was vielleicht auch daran liegt, dass die beiden nicht bei uns im Heim übernachten, sondern ca. 10 Minuten zu Fuß von uns entfernt wohnen. Dies ist vor allem aus Platzgründen notwendig. Wir bekommen sie allerdings jeden Mittag zu Gesicht, da wir immer alle gemeinsam bei uns im Heim zu Mittag essen. Miriam und José sind unglaublich nett und offen. Gemeinsam haben wir schon Unternehmungen geplant, die wir noch zu viert vor ihrer Abreise Mitte März antreten wollen. Endlich kommt etwas Freizeitleben und Abwechslung in die Bude! J
Verständigen können wir uns allerdings auch nur über Englisch. Mareike und ich können leider kaum ihr Holländisch verstehen und die beiden Holländerinnen verstehen nur etwas Deutsch. Es ist aber total lustig, denn es sind zum Teil echt die gleichen Wörter, nur die Aussprache ist so verschieden.

Jetzt bin ich erst mal wieder zwei Wochen durch mein Projekt eingespannt, ehe wir uns dann am 17. Februar auf nach Trichy (liegt an der Grenze zu Kerala in Tamil Nadu) zu unserem siebentägigen Zwischenseminar mit allen deutschen Freiwilligen, die ihr Soziales Jahr in Indien über verschiedene katholische Organisationen absolvieren, aufmachen. Ich bin schon sehr gespannt darauf zu hören, wie denn den anderen Freiwilligen ihr Projekt gefällt, was ihre Erfahrungen bis jetzt mit Indien sind und vielleicht lernt man dann noch den ein oder anderen etwas besser kennen, mit dem man dann auch noch vielleicht im Rest des Jahres eine kleine Unternehmung starten kann.

Ich werde mich danach wieder melden, mit neuen Neuigkeiten rund um die Zeit vor und während des Zwischenseminars.
Bis dahin wünsche ich euch eine tolle Zeit! Ich denke sehr viel an euch und vermisse euch oft. Aber ihr müsst wissen, dass die Halbzeit am 28. Januar war. J Es ist also gar nicht mehr so lange, bis ich wieder bei euch bin!
Eure Natalie 
Ein Sleeperwagen 3. Klasse von Innen 



Frühstück im Zug mit Marmelade von Familie Kiefer - lecker!


Wassersystem an einem Bahnhof 

Zähneputzen kann ganz schön Spaß machen:)

Kein seltenes Bild in Indien: Männer halten sich freundschaftlich die Hände

Ein Kind Barfuß bei Temperaturen von unter 12° 

Der Lotus-Tempel, ein Bahais-Tempel 

In einer Moschee

Vor einem Sikh-Tempel mit einem echten Sikh:)




Ein Sikh - ausgestattet mit Schwert und Turban 


Die Podiumsdiskussion



Das Taj Mahal




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen