Aufgabenerweiterungen, Heiratsantrag und Erlebtes
Hallo zusammen,
jetzt ist es schon vier
Monate her, dass ich in Indien gelandet bin. Der letzte Monat verging wie im
Fluge und ich habe wirklich viel erlebt, sodass ich euch wieder viel zu
erzählen habe.
Aufgabenerweiterungen
Zu meinen bisherigen
Aufgaben sind in den letzten vier Wochen noch zwei wirklich interessante und
völlig neue Aufgabenfelder hinzugekommen.
Seit vier Wochen arbeiten wir an einem Bahnhof
namens „Egmore Railwaystation“. Von Nesakkaram kommt man mit dem Bus in ca. 10
Minuten nach Egmore. Dieser Bahnhof hat 11 Plattformen, an denen im Minutentakt
überfüllte Züge aus allen Richtungen Indiens ankommen.
Nesakkaram besitzt an einer der drei Einganghallen
einen kleinen Schalter.
Im Moment sind wir abwechselnd einmal in der Woche
entweder abends oder morgens in Egmore. Natürlich sind wir auch dort nicht ganz
alleine und ein Mitarbeiter aus Nesakkaram ist immer bei uns!
Dieses Projekt ist ein staatliches Programm und
läuft unter dem Namen „Child Link“! Child Link kann man überall in Großstädten
Indiens finden. Ein staatliches Programm, das sich für das Recht und das Wohl
von Kindern in ganz Indien einsetzt!
Unsere Aufgabe ist es herumstreunende Kinder, die
von zu Hause abgehauen sind, abzufangen. Meist sind diese aus Angst vor
Bestrafungen von ihren Eltern weggegangen. Im Monat werden im Schnitt ca. zwei
Kinder gefunden. Diese sind meistens im Alter von 13-14 Jahren.
Wenn dann eines der Kinder gefunden wird, gibt man
ihm etwas zu essen, versucht mit ihm in ein Gespräch zu kommen, um anschließend
die Eltern zu kontaktieren. Mit diesen wird dann gemeinsam versucht eine Lösung
zu finden.
Wenn es keine Lösung gibt oder das Kind eine Waise
ist, dann kommt es mit großer Wahrscheinlichkeit in eine staatliche Einrichtung
von Child Link.
Was vor drei Wochen hinzugekommen ist, ist ein dreistündiger,
wöchentlicher Besuch in einem Altenheim, zwei Bushaltestellen von Nesakkaram
entfernt. Das Altenheim ist hier auch unter dem Namen „Little Sisters of the Poor“
bekannt. Der Name ist wirklich sehr passend, denn die betreuenden katholischen
Schwestern sind erstaunlich klein und haben oft wenig Besitz.
Dort betreuen und unterhalten wir alte Mitmenschen.
Aber ab und zu werden wir auch den Putzlappen schwingen.
Das Hauptgebäude des Altenheims ist wirklich schön.
Kleine begrünte Innenhöfe schaffen eine helle und freundliche Atmosphäre. In
dem Hauptgebäude sind auch die Schlafzimmer der Senioren/innen untergebracht.
Im Erdgeschoss sind dabei 30 Seniorinnen anzutreffen, während im ersten Stock 20
Senioren hausen. Die Zimmer sind sehr einfach eingerichtet und erinnern an
Krankenhauszimmer. Meistens sind es Doppelzimmer, in denen ein etwas Hilfebedürftiger und ein noch sehr fitter Mitbewohner
leben. Es ist wirklich schön anzusehen, wie liebevoll die Senioren/innen
miteinander umgehen. Sie helfen sich gegenseitig und muntern den Kameraden in
schwierigen Zeiten auf.
Da das Altenheim, ein katholisches ist und von
Schwestern geleitet wird, befindet sich auf dem Gelände noch eine Kirche und
ein Wohnhaus der Schwestern. Auch die Schwestern kümmern sich um ihre alten
Mitmenschen wirklich rührend und weisen eine unglaubliche Arbeitsbereitschaft
und Geduld auf. Zum Großteil sind daher auch die meisten Bewohner des Altenheims
katholisch.
Mir bereitet diese Arbeit wirklich jetzt schon
große Freude. Es ist wirklich unglaublich, was man von den etwas älteren Mitmenschen
an Dankbarkeit zurückbekommt. Es reicht einfach nur für sie da zu sein, mit
ihnen zu reden, sie beim Essen zu füttern und ihnen ein Lächeln zu schenken. Zu
meiner großen Verwunderung können auch die meisten Bewohner des Altenheims
bestes Englisch. Oft waren sie in früheren Jahren im Lehramt tätig. Für mich
ist das natürlich eine große Erleichterung.
Dennoch fällt mir diese Arbeit auch zum Teil sehr
schwer, denn eigentlich benötigt man ganze Ausbildungen, um zu wissen, wie man den
älteren Mitmenschen am besten helfen kann, vor allem wie und wie man in
bestimmten Situationen mit ihnen umgehen muss. So war es für mich wirklich
schwer, als mich eine sehr freundliche Oma bat, ihr beim Aufstehen zu helfen. Ich
wusste nicht genau wie ich sie anfassen muss, damit es für sie möglichst
schmerzfrei und einfach wird.
Oder was macht man mit einer Oma, die sich beim
Füttern weigert zu essen? Da kommt man wirklich ab und zu mal richtig ins
Straucheln, aber ich denke, dass ich mit der Zeit dazulernen werde und wenn ich
in Not bin kann ich mich auch meistens an eine Schwester wenden. Meine ersten
Besuche waren somit wie ein Sprung ins kalte Wasser, eisig und dennoch
erfrischend.
Leider konnte ich seit fünf Wochen nicht mehr in
meine Area gehen, da Sasikala, eine sehr nette und offene junge Frau meines
Alters, ihren Job bei Nesakkaram aufgeben musste. Zuvor hatte sie täglich die
Areakids in Tamil unterrichtet.
Ohne Staffmitarbeiterin darf ich nicht in meine
Area. Seit drei Wochen gehe ich nun also mit einer anderen Staffmitarbeiterin,
namens Sarala, in eine andere Area (Triplicane). Das ist aber überhaupt kein
Problem und für mich natürlich auch wahnsinnig interessant eine andere Area zu Gesicht zu bekommen!
Sobald es aber eine neue Mitarbeiterin in meiner Area gibt, werde ich wieder
dort arbeiten und Englischunterricht abhalten.
|
Ich und ein paar Kinder meiner ursprünglichen Slumarea vor einer Strohhütte |
|
Mitten in der Stadt liegt meine Area "Chindhadiripet" |
Ihr
seht meine Aufgaben sind sehr verschieden und wirklich vielfältig. So wird es
mir eigentlich nie langweilig, denn ich mache nie zwei Tage lang das Gleiche
hintereinander. Da ist es mit
Sicherheit garantiert, dass ich sehr viele unterschiedliche Erfahrungen machen
werde.
Heiratsantrag
Ja, den habe ich tatsächlich bekommen. Zwar ohne
Kniefall, so wie das die meisten Frauen gerne hätten, sondern ganz spontan von
einem Inder.
Als ich mit Sarala durch ihre Area gelaufen bin, um
die dort lebenden Kinder zu besuchen, kam eine etwas ältere Frau auf mich zu
gerannt. Zuerst dachte ich, ja klar, auch sie möchte mir einfach nur die Hand
schütteln, so wie es oft der Fall ist, wenn hier in Chennai ein Weißhäutiger
durch die Slums geht. Aber nein, sie redete wild in Tamil auf mich ein.
Natürlich habe ich nichts verstanden und nur nett gegrinst und genickt. Als
Sarala auf einmal laut zu lachen begann und ihr vor lauter Lachen, Tränen die
Wangen runter liefen, habe ich mich schon etwas gewundert. Als sie mir dann
erklärt hat, dass diese Frau mir gerade
ihren Sohn anbietet, wurde mir ganz anders. Auf keinen Fall durfte ich ja jetzt
vehement ablehnen, denn das hätte die Frau sicherlich sehr verletzt. So brachte
ich nur ein paar Sätze wie „Wir sehen uns wieder“ und „Ja, vielleicht“ heraus.
Zu meinem Pech, kam dann genau in diesem Moment ihr
Sohn aus seiner Hütte. Er lächelte mich an und redete auch auf mich ein. Das
musste ich mir nun wirklich nicht übersetzen lassen, denn die Botschaft war
eindeutig.
Nach weiterem unbeholfenem Gestammel, konnten wir
flüchten.
Als ich diesen Vorfall meinen Fathers beim
Abendessen berichtete, mussten sie lachen, aber gleichzeitig meinten sie auch,
dass das bestimmt nicht mein einziger indischer Heiratsantrag bleiben wird. Na
toll. J
Erlebtes
Father Joseph’s und Father Charle’s Geburtstagsfeier
Bereits
am 1. November wurde mit der
Dekorationsarbeit angefangen. Gemeinsam mit dem Staff habe ich den Raum der
Jungs dekoriert. Die Dekoration ist in Indien kunterbunt und besteht zum
größten Teil aus klitternden Girlanden an der Decke. Wir Deutschen würden diese
Dekoration auch als kitschig bezeichnen.
Am
2. November durften wir dann Father Joseph’s Geburtstag feiern. Nachts schlichen Mareike,
Father Pradeep und ich uns raus auf den Gang ins Wohnzimmer und nach
wiederholtem Klopfen, stand dann total verschlafen das Geburtstagskind vor uns!
Die Geschenke wurden überreicht und gemeinsam wurde noch etwas beisammen
gesessen.
Der
nächste Morgen starte ganz gewöhnlich mit einer Morgenmesse, da die Kinder an
diesem Tag Schule hatten. Dennoch wurde nach der Messe der Geburtstagskuchen,
der in Indien hauptsächlich aus Zucker und Farbstoff besteht, angeschnitten!
Währenddessen
verlor jede anwesende Person ein paar Worte über das Geburtstagskind. Diese
Geste hat mich wahnsinnig berührt, denn es stand wirklich mehr die Geburt von
Father Joseph im Vordergrund, als materielle Gegenstände.
Nachdem
wir die Kinder in die Schule gebracht hatten, wurde dann auch mit dem Staff in
versammelter Runde ein weiterer Geburtstagskuchen angeschnitten. Außerdem wurden
Lieder gesungen, eine kleine Tanzeinlage präsentiert und wieder Lob und Wünsche
für das Geburtstagskind ausgesprochen.
Nach
dem Geburtstagsprogramm wurden dann die restlichen Dekorationsarbeiten in und
um das Haus erledigt. Denn schon am nächsten Tag sollte Father Charles
Geburtstag gebührend gefeiert werden. So pusteten wir also hunderte von bunten
Ballons auf, die wir dann an der Girlandenkonstruktion befestigten. Um das Haus
wurde der Boden mit kunstvollen Bemalungen geschmückt und sogar zwei riesen Bananenbäume
an dem Eingangstor befestigt, so dass auch ja niemand übersehen konnte, dass
wir etwas zu feiern haben!
Am
3. November feierten wir dann also
Father Charles 50. Geburtstag vor. Eigentlich ist Father Charles Geburtstag
nämlich am 4. November, aber da der 4. November dieses Jahr auf einen Sonntag fiel
und das der einzigste Tag ist, an dem die Mitarbeiter frei haben, wurde der
Geburtstag einfach vorgefeiert. Das ist in Indien üblich und überhaupt kein
Problem!
Der
Geburtstag begann um 10 Uhr mit einer kleinen Messe. Insgesamt waren ca. 100
Leute anwesend (inklusive Kinder und Mitarbeiter). Vor allem Schwestern
und Fathers aus der Umgebung waren
eingeladen. Auch Father Charles Familie war anwesend. Die Messe war sehr schön
und auch ich konnte einen kleinen Beitrag leisten. Gemeinsam mit einem
Pianisten durfte ich mit meiner Querflöte den Gottesdienst begleiten.
Nach
dem Gottesdienst ging es rauf auf die Terrasse. Dort gab es Tee und Snacks und
anschließend begann recht zügig das vorbereitete Programm der Mitarbeiter.
Es
war wirklich ein kunterbuntes Programm, das von Tänzen über selbst geschriebene
Lieder bis hin zu eindrucksvollen Reden reichte. Danach wurde der
Geburtstagskuchen angeschnitten, das Geburtstagskind nach indischen Brauch
damit gefüttert und zum Mittagsbuffet übergeleitet. Nach dem Mittagsessen klang
der Geburtstag allmählich aus und wir begannen schnell mit den Aufräumarbeiten.
Abends
haben dann noch die Jungs sich ein kleines Programm für Father Charles
überlegt. Der Tag endete mit ausgelassenem Tanzen. Das war wirklich ein schöner
Abschluss, zwei wirklich aufregende Tage und die langen Vor- und
Nachbereitungen für die Geburtstage waren schnell vergessen.
Am
4. November feierte Father Charles
seinen Geburtstag dann mit den Kindern in Nesavanam, die ebenfalls sich ein
kleines Programm für ihn überlegt hatten.
Mareike
und ich nahmen an dieser Feier aber nicht teil, da Father Francis und Ansgar
aus Deutschland nur für zwei Tage in Chennai zu Besuch waren. Wie Father
Francis leitet auch Ansgar die Freiwilligenabteilung bei den Franziskanern in
Bonn. Ihnen habe ich es zum größten Teil zu verdanken, dass ich hier dieses
Jahr in Indien verbringen darf!
Das hinduistische Fest Diwali
am 13. November
Diwali oder auch das Fest
der Lichter kündigte sich schon mehrere Tage zuvor an, sei es auf Reklametafeln
oder auch durch Spezialangebote in den Einkaufsläden. In den Nächten zuvor und
auch danach wurde man häufig auf Grund eines lauten Schlages aus dem Schlaf
gerissen! Überall wurden Feuerwerkskörper abgefeuert. Da wir in einer etwas
reicheren Straße leben, war es um unser Haus herum besonders schlimm.
An den Tagen vor Diwali,
wurde auch in den jeweiligen Slumareas ein kleines Fest für die Kinder
vorbereitet. Ich hatte das Vergnügen gleich in zwei Areas Diwali zu feiern. Die
Kinder machten dort ein kleines Programm (tanzen oder singen) und anschließend
bekam jedes Kind eine kleine Kerze in die Hand gedrückt. Im Kreis aufgestellt,
wurde diese angezündet und gemeinsam ein Gebet und verschiedene Wünsche ausgesprochen.
Zum Schluss gab es für die Kinder als Geschenk drei indische Süßigkeiten. Durch
dieses Diwaliprogramm in den Areas sollte den Kindern der eigentliche Sinn des
Lichterfestes verdeutlicht werden. Dabei reicht es aus eine Kerze anzuzünden
und nicht das ganze, sowieso schon knappe Geld, für Feuerwerkskörper
auszugeben. Auch auf die Gefahr von Brandverletzungen durch Feuerwerkskörper
wurde hingewiesen. Leider wurde aber zu meinem großen Bedauern in den meisten
Fällen nicht darauf gehört.
Je lauter, desto besser!
Auch mit unseren Kindern
im Heim wurde Diwali gefeiert. Alle waren super aufgeregt und wussten gar nicht
in welche Richtung sie zuerst schauen sollten. Da sich unsere Nachbarn fast
schon einen Feuerwerkskörperwettkampf leisteten und in weniger als 3 Minuten
Feuerwerkskörper im Wert von 5000 Rupies (ca. 75 €) in die Luft schossen, bot
sich vor unserer Türe eine gewaltige Show. Auch unsere Kinder konnten etwas
daran teilhaben, denn verschiedenste Sponsoren sorgten für genügend Feuerwerksmaterial.
Mich erinnerte Diwali sehr
stark an Silvester, weshalb ich die Tage um Diwali großes Heimweh hatte.
Dennoch kann man auf Grund
der Feuerwerksmassen das indische Diwali kaum mit dem deutschen Silvester
vergleichen.
Was von Diwali am nächsten
Tag übrig war, waren Müllberge in den Straßen und grauer Nebel soweit das Auge
reichte.
Vor drei Wochen sind uns
dann auch mal wieder Lea und Theresa aus Kerala besuchen gekommen. Wir hatten
ein wirklich schönes Wochenende und konnten den beiden etwas von Chennai
zeigen. Ein Highlight war der Shoppingstrip nach Tenagar. Mit einem Share Auto
fährt man zu diesem Bazar in ca. 15 Minuten. Da in Kerala Kleider etwas teurer
sind, bietet es sich natürlich an, auf Vorrat einzukaufen.
Es war schön wieder etwas
auszuspannen und außerdem haben wir mal gemeinsam Ideen für Projekte gesammelt,
die man mit den Jungs vor Weihnachten noch machen könnte. Danach waren wir
wieder alle neu motiviert.
Vor vier Wochen habe ich
jetzt auch endlich den ersten Einblick in mein Spenderkonto bekommen. Dank eurer
Unterstützung, sind in den ersten drei Monaten jetzt schon 450 € zusammen
gekommen. An dieser Stelle möchte ich mich ganz recht herzlich bei den
bisherigen Spendern und Unterstützer meines Projektes bedanken! Vielen Dank
dafür.
Falls ihr euch jetzt auch
entschieden habt zu spenden, führe ich im Folgenden noch einmal alle wichtigen
Kontodaten meines Spenderkontos an. Hierbei geht es nicht nur um große Beträge,
auch kleine Beträge sind wichtig. Für weitere Informationen schaut euch doch einfach auch noch einmal meinen ersten Blogeintrag
an, oder wendet euch einfach direkt an mich (E-Mail-Adresse:
natalie.rabe@googlemail.com).
Kontoinhaber: MISSIONSZENTRALE
DER FRANZISKANER E.V.
Kontonummer: 80 000 103
BLZ:
510 917 11
Kreditinstitut:
Bank für Orden und Mission
Verwendungszweck: 70 601 113 (diese Nummer bitte
immer angeben)
So, das war’s dann auch schon wieder von meiner Seite! Ich
verspreche, dass ich auf meinen nächsten Eintrag nicht so lange warten lasse.
Ich hoffe, es geht euch gut und ihr habt eine schöne und
harmonische Vorweihnachtszeit. Dank meiner Patentante Monika und meiner Familie,
durfte selbst ich vorletzten Samstag, das erste Türchen unter Palmen öffnen!
Liebe Grüße und Gottes Segen
Eure Natalie